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Detaillierte Informationen zur aktuellen Borkenkäfersituation in Sachsen

Stand: 04.04.2023

Die aktuelle Waldschutzsituation wird immer noch maßgeblich von der 2018 begonnenen und bis heute anhaltenden Massenvermehrung rinden- und holzbrütender Borkenkäfer bestimmt. Der Buchdrucker nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein. Die vorrübergehende Regenerationsphase der Waldbestände infolge des durchschnittlichen bis feuchten Witterungsverlaufs im Jahr 2021 war nur von kurzer Dauer und 2022 kam es infolge der erneut trocken/warmen Witterungsbedingungen wieder zu einer deutlichen Verschlechterung des Waldzustands, insbesondere bei der Fichte. Trotz der mittlerweile das zweite Jahr in Folge zu verzeichnenden rückläufigen Befallsholzmengen kann nicht von einer grundsätzlichen Trendwende gesprochen werden. Ein Teil der Rückgänge ist u. a. darauf zurückzuführen, dass große Bereiche des Hügellandes mittlerweile weitestgehend frei von befallbaren Fichten sind und dem Käfer somit kaum noch geeigneter Brutraum zur Verfügung steht. In den noch vorhandenen Fichtengebieten ist jedoch weiterhin eine sehr hohe Käferdichte vorhanden.

Die aktuelle Niederschlagssituation ist in Bezug auf das laufende hydrologische Jahr bisher als durchschnittlich zu bewerten und bewegt sich leicht oberhalb des für den Referenzzeitraum 2013 bis 2022 berechneten Mittels. Der Tatbestand, dass die in den letzten fünf Jahren aufgelaufenen Defizite in den tieferen Bodenschichten immer noch vorhanden sind, bleibt somit weiterhin bestehen. Der schwer zu prognostizierende Witterungsverlauf in den nächsten Monaten wird maßgeblich über die Widerstandsfähigkeit von Fichte, Kiefer und Lärche gegenüber dem nach wie vor hohen Befallsdruck von holz- und rindenbrütenden Schadinsekten entscheiden.

Übersichtskarte Sachsen
Abbildung 1: Entwicklung der kumulierten Fangzahlen an den sächsischen Monitoringstandorten, kombiniert mit einem Vorjahresvergleich sowie unterlegter Befallsholzmengenverteilung auf Ebene der Landkreisreviere 

Befallsentwicklung:

Auch wenn die Befallsmengen beginnend mit dem Jahr 2020 rückläufig sind, wurden im Borkenkäferjahr 2022/2023 bisher immer noch mehr als 705.000 m³ (Stand 31.12.2022) Stehendbefall registriert. Im Vergleich zum Vorjahr sind das 58% des 2022 zum gleichen Zeitpunkt im Gesamtwald durch den Buchdrucker verursachten Schadaufkommens. Trotz der deutlich wärmer und trockener ausgeprägten Witterungsbedingungen im letzten Jahr, von Mai bis Mitte August fielen faktisch keine nennenswerten Regenmengen, und der damit verbundenen Verschlechterung der Vitalität der Fichten, gingen die Befallsholzmengen somit weiter zurück. In welchen Maße das im Frühjahr 2022 noch vorhandene Wurf- und Bruchholz Einfluss auf die Abschwächung der Befallsdynamik hatte, indem die besonders gefährliche erste Generation des Buchdruckers regional signifikant in diesem Holz gebunden wurde, war vor allem von dessen rechtzeitiger Sanierung abhängig.

Bei der nach Eigentumsarten differenziert betrachteten Entwicklung, ist festzustellen, dass 2022 im Privat- und Körperschaftswald bisher doppelt so viel Befallsholz registriert wurde wie im Staatswald. 2021 war es noch fast das Dreifache.

Das Schadgeschehen wurde wie in den zurückliegenden Jahren durch die Situation in den von Privat- und Körperschaftswald geprägten ostsächsischen Fichtengebieten bestimmt und die dort registrierten Rückgänge sind hauptsächlich auf den fast vollständigen Ausfall der Fichte zurückzuführen.

Schwärmverlauf:

Bedingt durch höhere Temperaturen im April begann der Hauptschwärmflug der überwinterten Buchdrucker eine Woche früher als 2021. Das deutete bereits zu Beginn der Befallssaison auf die Möglichkeit der Anlage einer 3. Generation hin. Zudem führten die plötzlich starken Temperaturanstiege in den Gebirgslagen zu einem sehr konzentrierten Schwärmflug der überwinterten Generation, an den sich der Befallsbeginn unmittelbar anschloss, ohne die sonst übliche Verzögerung von 1 bis 2 Wochen.

Diese Entwicklung spiegelte sich auch in den Ergebnissen des Borkenkäfermonitorings wider, dass bis Ende Juni auf einem Großteil der Standorte kumulative Fangzahlen registrierte, die 20 Prozent und mehr über denen des Vorjahres lagen. Erst ab Mitte des Jahres fielen die Fangzahlen mit Ausnahme einiger Schwerpunktregionen wie dem Westerzgebirge und dem ostsächsischen Raum hinter die Werte aus 2021 zurück, wenngleich die absoluten Fangzahlen mehrere Wochen in Folge flächendeckend und weitestgehend von Höhenstufen unabhängig oberhalb des Schwellenwertes von 3.000 Buchdruckern pro Falle und Woche lagen (siehe Karte).

Die Witterungsverhältnisse während der Schwärmperiode führten dazu, dass im August bis in ca. 600 m ü. NN und somit bis in die mittleren Lagen des Erzgebirges, eine dritte Generation angelegt wurde. Im Vorjahr war das nur bis in Höhenlagen um 300 m ü. NN der Fall. Zudem deutet sich im Westerzgebirge und Vogtland die Ausbildung eines neuen Schadensschwerpunktes an. Dies zeigte sich anhand der in diesen Regionen im letzten Jahr bis in die höheren Lagen registrierten deutlich erhöhten Schwärmaktivität.

Die Betrachtung des zurückliegenden Winters 2022/2023 als eine maßgebliche klimatische Einflussgröße auf die bevorstehende Käfersaison zeigt für Sachsen eine so nicht erwartete Entwicklung. Während nach Auswertungen des DWD der zurückliegende Winter im Bundesdurchschnitt deutlich zu warm war (zum 12. Mal in Folge!) und die Durchschnittstemperatur 2,7°C über dem Wert der international gültigen Referenzperiode (1961-1990) lag, verlief der Winter in Sachsen eher durchschnittlich. Neben Thüringen war Sachsen mit im Mittel 2,1 °C das „zweitkühlste“ Bundesland. Das entspricht einer Abweichung vom langjährigen Mittel von -0,4°C. Dennoch wurden auch in Sachsen Ausreiser nach oben registriert, bspw. mit positiven Rekordtemperaturen um den Jahreswechsel. Die Niederschlagsmenge bewegte sich mit 150 l/m² ebenfalls im Bereich des langjährigen Mittels von 152 l/m².

(Quelle:DWD)

Liniendiagramm
Kumulierte Niederschlagsmengen der Waldklimastationen ab 01.11.2022 (rote Linie) im Vergleich zum Mittelwert des vergangenen Jahrzehnts (grüne Linie), einschl. der Schwankungsbreite in diesem Zeitraum. 
Diagramm mit farbigen Rechtecken
Darstellung des gefallenen Niederschlages vom 03.04.2023 bis 16.04.2023 an den von Sachsenforst betriebenen Waldklimastationen 
Liniendiagramm
Entwicklung der Bodenfeuchte (% der nutzbaren Feldkapazität) im Jahresverlauf für die Waldklimastation Sachsengrund im Westerzgebirge (dicke rote Linie) im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (grüne Linie). (Stand: 17.04.2023) 
Liniendiagramm
Entwicklung der Bodenfeuchte (% der nutzbaren Feldkapazität) im Jahresverlauf für die Waldklimastation Wermsdorf (dicke rote Linie) im Vergleich zum langjährigen Mittelwert (grüne Linie). (Stand: 17.04.2023) 

Bedingt durch die bisher ungewöhnlich niedrigen Temperaturen ist beim Buchdrucker bisher keine Schwärmaktivität zu verzeichnen (Stand: 04.04.2023). Die Prognose mittels des Phänologiemodells Phenips ist seit Anfang April aktiv und weist bisher noch keinen Schwärmbeginn aus.

In Anbetracht der Tatsache, dass im letzten Jahr bis in 600 m ü. NN eine 3. Generation angelegt wurde und damit zunehmend die mittleren Lagen der Mittelgebirge betroffen sind, ist mit einer weiteren Verlagerung des Befallsgeschehens in die Gebirgslagen hinein zu rechnen.

Spätestens ab Mitte April werden die knapp 90 Monitoringstandorte, deren Ergebnisse beim SBS zusammengeführt werden, wieder zuverlässige Daten über den Schwärmverlauf von Buchdrucker und Kupferstecher liefern.

Regionale Entwicklung:

Inwiefern sich die im Rahmen dieses Borkenkäfermonitorings im letzten Jahre festgestellten Entwicklungen im Westerzgebirge und im Vogtland in diesem Jahr fortsetzen, wird mit einem intensivierten Monitoring überwacht.

Auf Grund der Informationen aus Waldschutzmeldewesen und Borkenkäfermonitoring muss davon ausgegangen werden, dass der Buchdrucker auch in diesem Jahr der bestimmende biotische Schadfaktor an der Baumart Fichte sein wird. Sollte die 2022 angelegte 3. Generation auch im Mittelgebirge erfolgreich überwintert haben und in Kürze auf günstige Schwärmbedingungen treffen, ist eine Verlagerung bzw. Ausweitung der Befallsschwerpunkte in diese Regionen zu erwarten. Die Befallsholzmengen bewegen sie sich noch immer auf einem Niveau, dass vor 2018 in Sachsen nicht eingetreten war. Die Populationsdichten sind demzufolge weiterhin sehr hoch. Falls mehrere, die Entwicklung des Buchdruckers begünstigende Faktoren räumlich und zeitlich zusammentreffen, kann sich schnell erneut eine schwer kontrollierbare Dynamik mit entsprechendem Schadpotenzial entwickeln.

Schwerpunktmäßig sind die nächsten Tage zu nutzen, um mit der Suche nach Überwinterungsbäumen zu beginnen sowie letzte Würfe und Brüche aus dem Winter aufzuarbeiten und aus dem Wald zu bringen, bevor diese besiedelt werden und damit in der Folgezeit Aufarbeitungskapazität binden. Nach fünf Jahren Borkenkäferkalamität sollten die wesentliche Schritte in der Vorbereitung auf die neue Käfersaison aber bereits in Fleisch und Blut übergegangen sein.

Diese Maßnahmen haben vor allem das Ziel, das Gefährdungspotenzial für die bevorstehende Buchdruckersaison möglichst weitreichend zu reduzieren.

Mit Einsetzen des Schwärmfluges beginnen die regelmäßigen Befallskontrollen. Hilfestellung bieten hier die Ergebnisse nahegelegener Monitoringstandorte, die bei einem deutlichen Fangzahlanstieg den Beginn des Hauptschwärmfluges anzeigen und das Phänologiemodell Phenips, welches für ausgewählte Klimastationen eine 7-Tages-Prognose bereitstellt.

Das Kontrollintervall ist dabei abhängig von der herrschenden Witterung. Momentan sorgen niedrige Temperaturen noch für eine Inaktivität der Käfer. Sobald der Hauptschwärmflug bei Maximaltemperaturen > 16,5°C begonnen hat, sollte im Rahmen eines kurzen, idealerweise wöchentlichen, Kontrollturnus versucht werden möglichst einen Großteil der von der 1. Käfergeneration besiedelten Bruthabitate zu erkennen und in der Folgezeit zu beräumen.

Schwerpunkte der Suche sind Bereiche mit Vorjahresbefall sowie trockenheits- und wärmeexponierte Bestandesränder und Südhänge. Speziell in den unteren aber auch in den mittleren Lagen sind aber aufgrund der z.T. sehr hohen Temperaturen im Vorjahr auch kühlere Expositionen gefährdet. Wie in den Vorjahren kann es, bedingt durch den weiterhin hohen Befallsdruck, zu einer schnelle Vergrößerung von Initialherden kommen, was häufige Nachkontrollen bedingt.

Der 10-Tage-Trend des Deutschen Wetterdienstes.

Bis Mitte April ist vorerst nicht mit einem Beginn des Hauptschwärmfluges des Buchdruckers zu rechnen. Die aktuellen Witterungsprognosen zeigen bspw. für die zentral in Sachsen gelegene Station Chemnitz bis zum Ende der 15. Kalenderwoche aktuell keine ausreichenden Tagesmaximal­temperaturen. Im Gegenteil werden für die Karwoche Werte vorhergesagt, die im einstelligen Bereich bleiben und bis in die unteren Lagen zum Teil mit Nachtfrösten verbunden sind. Erst ab Ostermontag werden die Temperaturen wieder zweistellig. Dabei gilt zu beachten, dass diese Werte mit zunehmender Prognosedauer noch mit Vorbehalt betrachtet werden sollten.

Im letzten Jahr wurde der Beginn des Hauptschwärmfluges in den unteren Lagen erst in der ersten Maiwoche registriert, sodass zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussagen über einen möglicherweise früheren bzw. späteren Schwärmbeginn in 2023 getroffen werden können. Grundsätzlich steigt mit einem späten Schwärmbeginn und damit verbundenen plötzlichen starken Temperaturanstiegen allerdings die Gefahr eines konzentrierten Käferfluges und der damit verbundenen Verkürzung der Vorwarnzeit für den eigentlichen Befallsbeginn.

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