Detaillierte Informationen zur aktuellen Borkenkäfersituation in Sachsen
Stand: 23.10.2023
Wie in den Vorjahren bestimmten an der Gemeinen Fichte auch 2023 die rindenbrütenden Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher das Schadgeschehen. Auch wenn die bisher registrierten Befallsholzmengen in allen Eigentumsarten rückläufig sind, bewegen sie sich weiterhin auf einem Niveau, das vor 2018 nur schwer vorstellbar war. Die dafür verantwortliche Gradation insbesondere des Buchdruckers dauert weiter an und deren Ende ist bisher nicht absehbar. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Teil der zu verzeichnenden Rückgänge aus einem weitestgehend vollständigen Ausfall der Baumart Fichte auf regionaler Ebene resultiert, darf das immer noch vorhandene hohe Gefährdungspotenzial in anderen Landesteilen nicht unterschätzt werden. Der im Vergleich zum restlichen Sachsen gegenläufige Trend im Südwestteil des Freistaates verdeutlicht dies noch einmal.
Die diesjährigen Ergebnisse des sächsischen Borkenkäfermonitorings untermauern die Einschätzung. Gerade im Hinblick auf die Aktivitätsdichten des Buchdruckers zeigt sich bisher ein ähnliches Bild der Käferaktivität wie 2022 (siehe Karte). Insgesamt war das Aktivitätsniveau erneut sehr hoch und äußert sich in kumulativen Fangzahlen, die auf fast drei Viertel aller Standorte deutlich über der kritischen Jahresmarke von 30.000 Buchdruckern je Dreifallenstern liegen. Auch waren Vogtland und Westerzgebirge sowie Teile des Oberlausitzer Berglandes wieder mit hohen Käferzahlen auffällig. Gegenüber dem Vorjahr kam es bei einer Vielzahl von Monitoringstandorten zu einer erneuten Steigerung oder konnte zumindest eine ähnliche Entwicklung festgestellt werden. Generell war eine Zunahme der Fangzahlen in den mittleren und höheren Lagen der Mittelgebirge erkennbar. Des Weiteren sind das Zittauer Gebirge und der vordere Teil des Nationalparkes zu nennen. Regionen mit Rückgängen in der Schwärmaktivität wie der mittelsächsische Raum blieben auch 2023 in der Minderheit.
Auch bei der Entwicklung des Befallsholzanfalls ist der Trend regional unterschiedlich, im Gegensatz zur Schwärmaktivität aber insgesamt klar rückläufig. In den bisherigen Hauptschadgebieten in Ostsachsen, im sächsischen Hügelland und im Elbsandsteingebiet einschließlich Nationalpark Sächsische Schweiz gehen die Befallsholzmengen tatsächlich deutlich zurück. Im Erzgebirgsraum allerdings liegen die bis Ende September erfassten Mengen aber analog zu den Fallenfangergebnissen teils erheblich über den zum selben Zeitpunkt registrierten Vorjahreswerten. Eine besonders starke Zunahme ist vor allem im Westerzgebirge und im Vogtland zu beobachten (siehe Karte). Es ist zudem zu erwähnen, dass die Intensität des Befallsgeschehens für diese Regionen zwar durchaus besorgniserregend ist, bisher jedoch deutlich schwächer verläuft als es bspw. in den letzten Jahren im ostsächsischen Raum der Fall war. Entsprechend „positiv“ stellt sich die Bilanz bisher für ganz Sachsen dar.
Mittlerweile ist die diesjährige Schwärmperiode von Buchdrucker und Kupferstecher beendet und die Käfer bereiten sich auf die Überwinterung vor. Dabei ist anzumerken, dass durch die langanhaltenden ungewöhnlich hohen Temperaturen im September und teilweise auch Oktober vermutlich ein Großteil der zuletzt angelegten Generation als Jungkäfer überwintern wird. Weil dieses Stadium im Winter eine deutlich geringere Mortalität als bspw. die weißen Stadien aufweist, hat dies Auswirkungen auf das Gefährdungspotenzial im nächsten Frühjahr.
Befallsentwicklung bis zum Frühjahr 2023
Seit nunmehr drei Jahren sind die gemeldeten Befallsholzmengen zwar rückläufig, dennoch wurden beim Buchdrucker im Borkenkäferjahr 2022/2023 erneut ca. 850.000 m³ Stehendbefall registriert. Im Vergleich zum Borkenkäferjahr 2021/2022 sind das 62 % des im Gesamtwald durch diese Art verursachten Schadaufkommens und weiterhin ein Vielfaches mehr als in den Jahren vor 2018. Trotz der deutlich wärmer und trockener ausgeprägten Witterungsbedingungen im letzten Jahr - von Mai bis Mitte August fielen faktisch keine nennenswerten Regenmengen - und der damit verbundenen Verschlechterung der Vitalität der Fichten gingen die Befallsholzmengen somit weiter zurück. In welchem Maße das im Frühjahr 2022 noch vorhandene Wurf- und Bruchholz Einfluss auf die Abschwächung der Befallsdynamik hatte, indem die besonders bedeutsame erste Generation des Buchdruckers regional signifikant in diesem Holz gebunden wurde, war vor allem von dessen rechtzeitiger Sanierung abhängig.
Bei der nach Eigentumsarten differenziert betrachteten Entwicklung ist festzustellen, dass 2022 im Privat- und Körperschaftswald mehr als das Doppelte an Befallsholz registriert wurde wie im Staatswald. 2021 war es allerdings noch fast dreimal soviel.
Das Schadgeschehen wurde wie in den zurückliegenden Jahren durch die Situation in den von Privat- und Körperschaftswald geprägten ostsächsischen Fichtengebieten bestimmt und die dort registrierten Rückgänge sind hauptsächlich auf den fast vollständigen Ausfall der Fichte zurückzuführen.
Einen umfassenden Überblick über das Befallsgeschehen im letzten Jahr finden Sie hier:
Schwärmverlauf im Jahr 2023
Der Schwärmflug begann in diesem Jahr in den unteren Lagen ca. eine Woche früher, in den mittleren und höheren Lagen dagegen etwas später als im Frühjahr 2022. Bedingt durch einen zwischenzeitlichen Temperaturrückgang erfolgte der Befallsbeginn dann allerdings flächendeckend später als im Vorjahr. Fünfstellige wöchentliche Fangzahlen waren in der Folge keine Seltenheit und wiesen auf eine hohe Populationsdichte sowie einen konzentrierten Hauptschwärmflug hin. Im weiteren Verlauf schwächte sich die Schwärmaktivität, auch witterungsbedingt, zumindest zwischenzeitlich etwas ab. Im Sommer verlief die Entwicklung der Folgegenerationen dann wieder schneller, sodass in Kombination mit den hohen Temperaturen im Spätsommer bis in die mittleren Lagen von der vollständigen Entwicklung einer 3. Generation, in den höheren Berg- und Kammlagen der Geschwisterbrut der 2. Generation ausgegangen werden kann. In Verbindung mit den auffälligen Fangzahlanstiegen zu diesem Zeitpunkt, die gerade im Westerzgebirge und dort bis in die Kammlagen hinein festzustellen waren, ist von einer hohen Zahl überwinternder Käfer auszugehen.
Regionalisierte Modellierung der Buchdruckerentwicklung mit Phenips plus
Seit August besteht in Sachsen die Möglichkeit, die bisher nur stationsweise (bzw. auf Borkenkäferregionen bezogene) Modellierung der Buchdruckerentwicklung auch auf Basis eines 1 x 1-km Rasters vorzunehmen (Abbildung 3). Dies ist mittlerweile möglich, weil der DWD die erforderlichen Daten deutschlandweit zur Verfügung stellt. Zudem ist auch hier die bekannte 7-Tages-Prognose implementiert. Damit kann nun wesentlich genauer die für den jeweiligen Waldbesitzenden relevante Region ausgewählt und das dort aktuell anzutreffende Entwicklungsstadium des Buchdruckers abgelesen werden. Für eine bessere Übersichtlichkeit erfolgt außerdem eine Trennung nach Generationen und Geschwisterbruten. Über eine Schieberegler ist auch die zeitliche Entwicklung der einzelnen Generationen und der Gesamtentwicklung visualisierbar.
Betrachtet man die Niederschlagssituation bzw. die daraus resultierende Bodenfeuchte der jüngeren Vergangenheit als eines von mehreren maßgeblichen Kriterien für die Widerstandskraft der Fichte gegenüber einem Befall, so ist festzustellen, dass das Jahr zwar mit überdurchschnittlichen Niederschlagsmengen begonnen hat, diese aber hauptsächlich die Defizite der Vormonate ausgeglichen haben und ab Ende April in ganz Sachsen keine maßgeblichen Niederschläge mehr zu verzeichnen waren. Damit fiel der eigentliche Schwärmbeginn des Buchdruckers auch im Jahr 2023 wieder in eine sehr trockene Phase, regional bereits auch im Hinblick auf die noch vorhandenen Feuchtereserven im Oberboden. Die Niederschläge in Mai und Juni sorgten zwar für einen gewissen Ausgleich, allerdings folgten darauf bis in den August hinein weitere ausgeprägte Trockenphasen. Mittlerweile bewegt sich die kumulative Menge des aktuellen hydrologischen Jahres wieder auf dem Niveau des Mittels des Referenzzeitraums von 2013 bis 2022. Etwaige Überschüsse sind somit weitestgehend aufgebraucht. Der Bodenfeuchteviewer des DWD zeigt eindrücklich, dass in Sachsen im Oberboden aktuell zwar eine relative entspannte Wasserversorgung besteht, die für die längerfristige Versorgung der Wälder aber maßgeblichen tieferen Bodenschichten (>50 cm Bodentiefe) weiterhin von mehr oder weniger starkem Trockenstress betroffen sind.
Insgesamt führten die länger anhaltenden warm-trockenen Phasen dazu, dass der Borkenkäfer ausreichend Möglichkeiten für Schwärmflug und Brutanlage hatte und diese auch nutzte. Gerade im Spätsommer bestanden nahezu ideale Entwicklungsbedingungen und die meisten Bruten konnten sich fertig entwickeln.
Die Käfer haben ihre Schwärmaktivität eingestellt. Somit tritt auch kein frischer Stehendbefall mehr auf. Allerdings sind weiterhin deutlich erhöhte Populationsdichten zu verzeichnen, die sich in Teilen auch noch unentdeckt in den Beständen befinden und dort überwintern.
Eine endgültige Bewertung des Borkenkäferjahrs ist verlässlich erst an dessen Ende im nächsten Frühjahr möglich, erfahrungsgemäß ist aber nicht davon auszugehen, dass es noch zu grundlegenden Entwicklungsänderungen kommen wird. Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Befallsmengen in der Gesamtbilanz weiter rückläufig sind, auch wenn regionale Schwerpunkte aktuell Anlass zu Sorge geben. Basierend auf der erfahrungsbasierten Schätzung wird gegenwärtig von einem Befallsholzanfall durch Buchdrucker von ca. 450.000 bis 500.000 m³ für das Borkenkäfer-Jahr 2023/24, also bis April/Mai 2024 ausgegangen. Gerade im Vogtland und im Westerzgebirge muss der weitere Verlauf intensiv beobachtet und entsprechend auf Befallszunahmen reagiert werden. Der Buchdrucker bleibt auch in den nächsten Jahren der bestimmende Schadfaktor an der Fichte und wird vermutlich nicht so schnell wieder auf ein Latenzniveau zurückfallen. Aber auch dem Kupferstecher sollte auf Grund der beobachteten Aktivitätsentwicklung mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Dennoch bestimmen weiterhin die Witterungsbedingungen als wesentliche Einflussgröße maßgeblich den weiteren Verlauf der Kalamität und sind von uns leider nicht zu beeinflussen. Noch immer sind in den sächsischen Wäldern erhebliche Risikovorräte vorhanden, die jederzeit als neue Initiale fungieren können.
Die diesjährige Schwärmsaison ist beendet und die Käfer bereiten sich auf die Überwinterung vor. Grundsätzlich besteht in dieser Jahreszeit somit kein akuter Handlungsbedarf hinsichtlich der Sanierung von noch in den Beständen vorhandenem Stehendbefall. Allerdings gilt es, insbesondere in diesem Jahr zwei Aspekte zu beachten.
- Das Entwicklungsstadium der letzten Bruten: Es ist davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der aktuellen Generation sich fertig entwickeln konnte und als Jungkäfer überwintert.
- Die Witterung: Temperaturen über 8 °C haben eine fortgesetzte Aktivität der Bruten/Käfer unter der Rinde zur Folge.
Beide Punkte führen zu einem erhöhten Risiko in den Beständen, wenn die Sanierung bis ins nächste Frühjahr aufgeschoben werden sollte. Insbesondere die Jungkäfer setzen unter der Rinde ihren Reifungsfraß fort und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit, dass die Rinde vorzeitig abfällt. In Verbindung mit der gegenüber den Larvenstadien generell höheren Mobilität und der geringeren Mortalität führt dies zu einem potenziellen Abwandern eines erheblichen Anteils an Käfern in die Bodenstreu und in dessen Folge zu einer deutlichen Verringerung des Sanierungseffektes.
Es wird deshalb empfohlen, bereits erkannten Stehendbefall noch in diesem Jahr zu sanieren und gleichzeitig in deren Umfeld nach möglichen Überwinterungsbäumen Ausschau zu halten. Diese sind allerdings schwierig zu erkennen und erfordern eine gewisse Erfahrung, weil sich jeweils größere Käferzahlen auf kleinem Raum konzentrieren (meist nur ein Einbohrloch!) und durch deren verminderte Aktivität kaum andere Befallszeichen erkennbar sind.
Auf Grund der bevorstehenden Diapause der Holz- und Rindenbrüter ist eine Prognose zum jetzigen Zeitpunkt wenig zielführend. Grundsätzlich bleibt aber zu hoffen, dass sich über den Winter die Bodenwasservorräte weiter stabilisieren, die Witterungsbedingungen zu einer höheren Sterblichkeit der überwinternden Käfer beitragen und größerer abiotische Schadereignisse, die die Situation wieder zusätzlich verschärfen, ausbleiben.
Auch wenn die Erfahrungen der letzten Jahre im Hinblick auf den tatsächlichen Schadholzanfall zeigen, dass das Verhältnis der Menge von Ende September zur Menge zum Abschluss des Borkenkäferjahres im darauffolgenden Mai jeweils in etwa bei 60 % lag, ist zu hoffen, dass sich diese Entwicklung langsam normalisiert und wir deutlich unter den prognostizierten 500.000 m³ bleiben.