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Aktuelle Borkenkäfersituation in Sachsen

Aktualisiert am 09. April 2024

Großaufnahme eines Buchdruckers © Foto: Franz Matschulla

Borkenkäfer verursachen in den sächsischen Wäldern seit mehreren Jahren massive Schäden. Eine Entspannung der Situation ist bislang nicht absehbar. Auf dieser Seite finden Sie umfangreiche Informationen zur aktuellen und weiteren Entwicklung sowie Handlungsempfehlungen der Waldschutzexperten von Sachsenforst.

Das ungewöhnlich warme erste Aprilwochenende (6.-7.04.) und die Folgetage haben zu einem sehr zeitigen Schwärmbeginn von Buchdrucker und Kupferstecher geführt. Damit beginnt die diesjährige Borkenkäfersaison deutlich früher als in den vergangenen drei Jahren. Der Saisonstart ist damit ähnlich zeitig wie in den extremen Borkenkäferjahren 2018-2020. Damals konnte sich bis in die höheren Lagen eine 3. Generation entwickeln. In Folge flächendeckender Temperaturen von teils deutlich über 20°C, z.T. über 25 °C, war der erste Anflug unerwartet intensiv und umfasste dabei gleichzeitig das sächsische Hügelland, wie auch Bereiche der sächsischen Mittelgebirge. Es ist nicht auszuschließen, dass durch die fast eine Woche anhaltenden hohen Temperaturen nun auch der eigentliche Befallsbeginn ohne die übliche zweiwöchige Verzögerung erfolgt und damit die Vorwarnzeit für etwaige Gegenmaßnahmen erheblich verkürzt.

im Frühjahr 2024

Wie in den Vorjahren bestimmten an der Gemeinen Fichte auch 2023 die rindenbrütenden Borkenkäferarten Buchdrucker und Kupferstecher das Schadgeschehen. Auch wenn die bisher registrierten Befallsholzmengen in allen Eigentumsarten rückläufig sind, bewegen sie sich weiterhin auf einem Niveau, dass vor 2018 nur schwer vorstellbar war. Die dafür verantwortliche Gradation, insbesondere des Buchdruckers, dauert weiter an und deren Ende ist bisher nicht absehbar. Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Teil der zu verzeichnenden Rückgänge aus einem weitestgehend vollständigen Ausfall der Baumart Fichte auf regionaler Ebene resultiert, darf das immer noch vorhandene hohe Gefährdungspotenzial in anderen Landesteilen nicht unterschätzt werden. Der im Vergleich zum restlichen Sachsen gegenläufige Trend im Südwestteil des Freistaates verdeutlicht dies mit einem Befallsanstieg noch einmal.

 

Übersichtskarte von Sachsen
Abbildung 1: Schwärmaktivität an den sächsischen Monitoringstandorten im Borkenkäferjahr 2023/2024 (Stand vom 20.10.2023) 

Schwärmverlauf in der Saison 2023:

Die Ergebnisse des sächsischen Borkenkäfermonitorings im Jahr 2023 untermauern diese Einschätzung. Gerade im Hinblick auf die Aktivitätsdichten des Buchdruckers, zeigte sich ein ähnliches Bild der Käferaktivität wie 2022 (siehe Abbildung 1). Insgesamt war das Aktivitätsniveau erneut sehr hoch und äußert sich in kumulativen Fangzahlen, die auf fast drei Viertel aller Standorte deutlich über der kritischen Jahresmarke von 30.000 Buchdruckern je Dreifallenstern lagen. Auch waren Vogtland und Westerzgebirge sowie Teile des Oberlausitzer Berglandes mit hohen Käferzahlen auffällig. Gegenüber 2022 kam es bei einer Vielzahl von Monitoringstandorten zu einer erneuten Steigerung oder konnte zumindest eine ähnliche Entwicklung festgestellt werden. Generell war eine Zunahme der Fangzahlen in den mittleren und höheren Lagen der Mittelgebirge erkennbar. Des Weiteren sind das Zittauer Gebirge und der vordere Teil des Nationalparkes zu nennen. Regionen mit Rückgängen in der Schwärmaktivität, wie der mittelsächsische Raum, blieben auch 2023 in der Minderheit. Infolge der hohen Temperaturen im Spätsommer bis in die mittleren Lagen hinein, war von der vollständigen Entwicklung einer 3. Generation, in den höheren Berg- und Kammlagen der Geschwisterbrut der 2. Generation auszugehen. In Verbindung mit den auffälligen Fangzahlanstiegen zu diesem Zeitpunkt, die gerade im Westerzgebirge und dort bis in die Kammlagen hinein, festzustellen waren, führte dies zu einer hohen Zahl an überwinternder Käfern.

Befallsholzentwicklung:

Auch bei der Entwicklung des Befallsholzanfalls ist der Trend regional unterschiedlich, im Gegensatz zur Schwärmaktivität aber insgesamt klar rückläufig. In den bisherigen Hauptschadgebieten in Ostsachsen, im sächsischen Hügelland und im Elbsandsteingebiet, einschließlich dem Nationalpark Sächsische Schweiz, gehen die Befallsholzmengen tatsächlich deutlich zurück. Im Erzgebirgsraum allerdings liegen die bis zum Jahresende erfassten Mengen (siehe Abb. 2) aber analog zu den Fallenfangergebnissen teils erheblich über den zum selben Zeitpunkt registrierten Vorjahreswerten. Eine besonders starke Zunahme ist vor allem im Westerzgebirge und im Vogtland zu beobachten (siehe Karte). Es ist zudem zu erwähnen, dass die Intensität des Befallsgeschehens für diese Regionen zwar durchaus besorgniserregend ist, bisher jedoch deutlich schwächer verläuft als es bspw. in den letzten Jahren im ostsächsischen Raum der Fall war. Entsprechend »positiv« stellt sich die Bilanz bisher für ganz Sachsen dar.

Übersichtskarte von Sachsen
Abbildung 2: Im Borkenkäferjahr 2023/24 (FSKB-Meldungen im Zeitraum 01.06.-31.12.2023) von Buchdrucker befallenes Schadholz in Kubikmetern in den Landkreisrevieren (alle Eigentumsarten)  © Grafik: Franz Matschulla

Insgesamt beläuft sich die in den letzten Jahren in den sächsischen Wäldern allein durch den Buchdrucker verursachte Befallsholzmenge mittlerweile auf über 7 Mio. m³. Davon entfielen immerhin noch 0,84 Mio. m³ auf das Borkenkäferjahr 2022/2023 und im aktuellen BK-Jahr 2023/2024 wurden bis Ende 2023 330.000 m³ registriert. Dies entspricht in etwa der Hälfte der Vorjahresmenge im Bezugszeitraum.

Einen umfassenden Überblick über das Befallsgeschehen im letzten Jahr finden Sie hier: Rückblick 2023

Regionalisierte Modellierung der Buchdruckerentwicklung mit Phenips plus

Seit August besteht in Sachsen die Möglichkeit, die bisher nur stationsweise (bzw. auf Borkenkäferregionen bezogene) Modellierung der Buchdruckerentwicklung auch auf Basis eines 1 x 1-km Rasters vorzunehmen (Abbildung 3). Dies ist mittlerweile möglich, weil der DWD die erforderlichen Daten deutschlandweit zur Verfügung stellt. Zudem ist auch hier die bekannte 7-Tages-Prognose implementiert. Damit kann nun wesentlich genauer die für den jeweiligen Waldbesitzenden relevante Region ausgewählt und das dort aktuell anzutreffende Entwicklungsstadium des Buchdruckers abgelesen werden. Für eine bessere Übersichtlichkeit erfolgt außerdem eine Trennung nach Generationen und Geschwisterbruten. Über eine Schieberegler ist auch die zeitliche Entwicklung der einzelnen Generationen und der Gesamtentwicklung visualisierbar.

Übersichtskarte von Sachsen
Abbildung 3_1: Mit Phenips plus modellierter Entwicklungstand des Buchdruckers zum 10. August 2023 (2. Generation) 
Übersichtskarte von Sachsen
Abbildung 3_2: Mit Phenips plus modellierter Entwicklungstand des Buchdruckers zum 08.April 2024 (Hauptschwärmflug der überwinternden Generation)  

Die überdurchschnittlichen Niederschläge während der Wintermonate haben zum Winterausgang zu einer weitestgehenden Entspannung der Wasserhaushaltssituation in den sächsischen Wäldern geführt. Daraus resultiert vorerst eine höhere Abwehrkraft der Fichten gegenüber einem Befall durch rindenbrütende Borkenkäfer. Allerdings waren insbesondere im März sowie in der ersten Aprilwoche die Temperaturen im Vergleich mit dem langjährigen Mittel deutlich zu warm. Entsprechende Transpirationsverluste mit der beginnenden Vegetationsperiode sind die Folge. In Kombination mit den viel zu geringen Niederschlägen im März (< 50% des üblichen Mittels) kann die flachwurzelnde Fichte recht schnell wieder in einen Zustand des Wasserstresses geraten und so deren Anfälligkeit gegenüber Befall wieder zunehmen.

Liniendiagramm
Abbildung 4: Kumulierte Niederschlagsmengen der Waldklimastationen ab 01.11.2023 (rote Linie) im Vergleich zum Mittelwert des vergangenen Jahrzehnts (grüne Linie), einschl. der Schwankungsbreite in diesem Zeitraum 

Der Witterungsverlauf in den nächsten Wochen wird maßgeblich das Schadpotenzial der überwinterenden Borkenkäfergeneration beeinflussen.

Einen Überblick über die aktuelle Bodenwasserhaushaltssituation in Deutschland ermöglicht der Bodenfeuchteviewer des DWD.

Für Sachsen kann zudem auf die Bodenfeuchteampel (Prototyp!) zurückgegriffen werden

Infolge der ungewöhnlich hohen Temperaturen haben Buchdrucker und Kupferstecher mit ihrem Schwärmflug begonnen (Stand: 09.04.2024). Bis in die Mittelgebirgslagen findet derzeit ein intensiver Schwärmflug statt. Damit hat die diesjährige Käfersaison deutlich früher begonnen als in den letzten Jahren und nähert sich den Jahren 2018 bis 2020 (Beginn der Massenvermehrung) an. In Anbetracht der Tatsache, dass vor allem Jungkäfer mit geringerer Mortalität im Herbst in die Überwinterung gegangen sind, ist mit einer hohen Populationsdichte zu rechnen.

Der Entwicklungsfortschritt der aktuellen Käfergeneration kann mit Hilfe des Phänologiemodells Phenips nachverfolgt werden.

Spätestens ab Mitte April werden die knapp 90 Monitoringstandorte, deren Ergebnisse beim Sachsenforst zusammengeführt werden, wieder zuverlässige Daten über den Schwärmverlauf von Buchdrucker und Kupferstecher liefern.

Auf Grund der Informationen aus Waldschutzmeldewesen und Borkenkäfermonitoring muss davon ausgegangen werden, dass der Buchdrucker weiterhin der bestimmende biotische Schadfaktor an der Baumart Fichte sein wird. Die Populationsdichten sind immer noch sehr hoch. Falls, wie es aktuell der Fall ist, mehrere, die Entwicklung des Buchdruckers begünstigende Faktoren räumlich und zeitlich zusammentreffen, kann sich schnell erneut eine schwer kontrollierbare Dynamik mit entsprechendem Schadpotenzial entwickeln.

Schwerpunktmäßig sind die nächsten Tage zu nutzen, um mit der Suche nach Überwinterungsbäumen zu beginnen sowie letzte Würfe und Brüche aus dem Winter aufzuarbeiten und aus dem Wald zu bringen, bevor die überwinterten Käfer ausfliegen bzw. diese besiedelt werden und damit in der Folgezeit Aufarbeitungskapazität binden. Nach nunmehr sechs Jahren Borkenkäferkalamität sollten die wesentliche Schritte in der Vorbereitung auf die neue Käfersaison bereits fast schon »automatisiert« ablaufen.

Diese ersten Maßnahmen haben vor allem das Ziel, das Gefährdungspotenzial für die bevorstehende Buchdruckersaison möglichst weitreichend zu reduzieren. Unmittelbar im Anschluss sollte mit der Suche nach frischem Stehendbefall begonnen werden. Die anhaltend hohen Temperaturen können die normalerweise zu kalkulierende Vorwarnzeit zwischen Schwärm- und Befallsbeginn deutlich verkürzen!

Hilfestellung über das aktuelle Schwärmgschehen geben dabei die Ergebnisse nahegelegener Monitoringstandorte, die bei einem deutlichen Fangzahlanstieg den Beginn des Hauptschwärmfluges anzeigen, sowie die 7-Tages-Prognose des Phänologiemodells Phenips (Plus), welches inzwischen auch über eine rasterbasierte Variante eine wesentlich genauere Eingrenzung des betreffenden Waldgebietes ermöglicht.

Das Kontrollintervall ist dabei abhängig von der herrschenden Witterung. Sobald der Hauptschwärmflug bei anhaltenden Maximaltemperaturen von mehr als 16,5°C begonnen hat, sollte im Rahmen eines kurzen, idealerweise wöchentlichen, Kontrollturnus versucht werden möglichst einen Großteil der von der 1. Käfergeneration besiedelten Bruthabitate zu erkennen und in der Folgezeit zu beräumen.

Schwerpunkte der Suche sind Bereiche mit Vorjahresbefall sowie trockenheits- und wärmeexponierte Bestandesränder und Südhänge. Wie in den Vorjahren kann es, bedingt durch den weiterhin hohen Befallsdruck, zu einer schnelle Vergrößerung von Initialherden kommen, was häufige Nachkontrollen bedingt.

 

Der Schwärmflug hat wesentlich früher eingesetzt als in den Vorjahren. Damit einher geht zwar eine erhöhte Chance auf erneut fallende Temperaturen, welche zu einem scheinbaren Rückgang der Schwärmaktivität führen können, gleichzeitig besteht aber auch die Möglichkeit einer wesentlich längeren Käfersaison mit den daraus resultierenden Folgen für eine potenzielle Generationenzahl:

Vorhersage des DWD

Aktuell scheint sich für Mitte April ein Temperaturrückgang anzudeuten. Allerdings gilt zu beachten, dass zu diesem Zeitpunkt bereits ein Befall erfolgt ist und die ersten Rammelkammern bzw. Muttergänge angelegt werden. Die weitere Entwicklung ist dann ein Stück weit von den Außentemperaturen entkoppelt und führt nicht mehr zu einer Unterbrechung der Brutentwicklung sondern nur zu deren zeitlicher Verzögerung.

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