Hauptinhalt

Radiocäsiumbelastung von Wildschweinfleisch

1. Was ist Radiocäsium und woher kommt es?

Cäsium (Symbol: Cs) ist eines der 91 natürlich auf der Erde vorkommenden chemischen Elemente. Es ist ein seltenes Alkalimetall mit niedrigem Schmelz- (28,5 °C) und Siedepunkt (705 °C). Cäsium-137 (Isotopen-Schreibweise: 137Cs), auch als Radiocäsium bezeichnet, ist ein künstliches Radionuklid (Isotop), welches bei der Kernspaltung entsteht.

Das Radiocäsium, das derzeit noch in den Böden Sachsens nachweisbar ist, stammt zum größten Teil aus dem Reaktorunfall in Tschernobyl 1986. Durch den niedrigen Schmelz- und Siedepunkt des Cäsiums verflüchtigte sich dieses wegen der hohen Temperaturen bei der Reaktorexplosion und wurde durch den Aufwind in die höheren Luftschichten verfrachtet. Die dort herrschenden Winde transportierten das Radiocäsium und andere Spaltprodukte dann auch nach Sachsen. Als die radioaktive Wolke am 29./30. April 1986 Sachsen erreichte, regnete es hier, was dazu beitrug, das Radiocäsium besonders an den Stellen auf dem Boden abzulagern, an denen der Niederschlag intensiv war.

Da Radiocäsium unter den freigesetzten Spaltprodukten mit rund 30 Jahren eine verhältnismäßig lange Halbwertszeit hat, ist es auch heute noch im Boden vorhanden. Andere radioaktive Stoffe wurden beim Reaktorunfall in Tschernobyl in wesentlich geringerem Maße freigesetzt oder haben eine viel kürzere Halbwertszeit, so dass diese (heute) keine Rolle (mehr) spielen.

2. Warum können Wildschweine belastet sein, was ist mit Rot- und Rehwild?

Das 1986 nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl zunächst nur oberflächennah vorhandene Radiocäsium gelangte später in tiefere Bodenschichten und wurde vor allem auf Waldböden von Pflanzen und Pilzen aufgenommen. Da Pflanzen und Pilze den Wildtieren als Nahrung dienen, kann sich das Radiocäsium im Muskelfleisch und in den Organen des Wildes befinden. Allerdings wird das Radiocäsium auf Grund seiner durchschnittlichen biologischen Halbwertzeit von etwa 20 Tagen auf natürlichem Weg (Kot und Harn) auch wieder ausgeschieden (keine Akkumulation). Der Radiocäsiumgehalt im Wildfleisch nimmt deshalb mit zunehmendem Alter der Tiere auch nicht zu, sondern schwankt im Jahresverlauf in Abhängigkeit von der jeweils aufgenommenen Nahrung.

Die vergleichsweise erhöhte Radiocäsiumbelastung von Schwarzwild wird in der Fachliteratur vor allem auf die besondere Ernährungsweise dieser Wildart, unter anderem die Aufnahme von unterirdisch wachsenden Hirschtrüffeln, zurückgeführt. Fleisch von Wildschweinen kann durch das wechselnde Nahrungsangebot im Jahresverlauf zudem stark schwankende Belastungen mit Radiocäsium aufweisen. Daher werden sowohl regional als auch saisonal zwischen erlegten Stücken deutliche Unterschiede in der Belastung festgestellt.

Vorangegangene Messprogramme im Freistaat Sachsen führten zu der Feststellung, dass es aufgrund der Bodenbelastung in der Gebietskulisse des heutigen Pflichtuntersuchungsgebietes (siehe Abschnitt 6: „Für welche Gebiete besteht eine Untersuchungspflicht?") regelmäßig zu Überschreitungen der höchstzulässigen Radiocäsiumgehalte beim Schwarzwild kommt.

Bei Untersuchungen von Rot- und Rehwild wurden demgegenüber keine Höchstwertüberschreitungen festgestellt. Ursächlich hierfür sind vor allem die anderen Ernährungsgewohnheiten dieser Wildarten.

3. Wer misst die Belastung?

Für die Überwachung der Umweltradioaktivität im Freistaat Sachsen ist grundsätzlich die Staatliche Betriebsgesellschaft für Umwelt und Landwirtschaft (BfUL) zuständig. Bei dieser handelt es sich um eine dem Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft nachgeordnete Einrichtung. Rechtliche Grundlagen ihrer Tätigkeit sind insbesondere das »Gesetz zum vorsorgenden Schutz der Bevölkerung gegen Strahlenbelastung« (Strahlenschutzvorsorgegesetz – StrVG) und das »Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch« (Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch – LFGB).

Zur Durchführung dieser Gesetze werden zahlreiche Proben, insbesondere aus dem Lebensmittelbereich, entnommen und u. a. auf ihre Radioaktivität untersucht. Das sind in Sachsen pro Jahr ca. 300 Proben, u. a. Fleisch, Gemüse, Obst, Getreide, Milch. Die Konzentration von Radiocäsium in den Hauptnahrungsmitteln ist gering und deutlich niedriger als 10 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg). In Brotgetreide ist Radiocäsium im Allgemeinen nicht mehr nachweisbar (kleiner als 0,2 Bq/kg), weil es in den Tonmineralien der Ackerböden gebunden wird und infolgedessen nicht in die Pflanzen gelangt.

Wie die Lebensmittel werden auch die Futtermittel regelmäßig überwacht. Die jährlich untersuchte Probenzahl beträgt ca. 60. Die Ergebnisse geben im Allgemeinen keinen Anlass zur Sorge.

Weitere Informationen sowie die Berichte zur Umweltradioaktivität sind über den folgenden Link verfügbar.

4. Was sollte der Verbraucher wissen?

Grundsätzlich gilt: es gibt praktisch kein Lebensmittel, in dem nicht Spuren von Radioaktivität natürlichen Ursprungs zu finden sind. So ist beispielsweise das für den menschlichen Körper lebensnotwendige Kalium in vielen Nahrungsmitteln enthalten. Damit nimmt der Mensch mit der Nahrung auch eine radioaktive Unterart des Kaliums, nämlich das Kalium-40 (40K) auf. Beinahe 10 Prozent der durchschnittlichen jährlichen Strahlendosis eines Bundesbürgers aus natürlichen Quellen resultieren aus dem körpereigenen Kalium-40.

Von der Europäischen Union (EU) ist im Hinblick auf die radioaktive Belastung von Lebensmitteln ein Höchstwert von 600 Becquerel Radiocäsium pro Kilogramm (Bq/kg) vorgegeben, der nicht überschritten werden darf. Dieser Grenzwert gilt für den grenzüberschreitenden Handel. Er wird in Deutschland aber auch allgemein angewendet.

Fleisch von Nutztieren enthält typischerweise deutlich weniger als 10 Bq/kg Radiocäsium und ca. 100 Bq/kg Kalium-40. Die Wirkung der Radioaktivität einer radioaktiven Unterart (Nuklid) eines bestimmten chemischen Elements (z. B. Kalium-40, Radiocäsium) auf den menschlichen Körper, "Dosis" genannt (ausgedrückt in der Einheit Sievert), lässt sich mit Hilfe des für dieses Nuklid charakteristischen Dosiskonversionsfaktors ermitteln. Für Radiocäsium hat dieser Dosiskonversionsfaktor bei erwachsenen Menschen über die Nahrungsaufnahme einen Wert von 1,3 x 10-8 Sievert pro Becquerel (Sv/Bq).

Der denkbare Verzehr von 1 Kilogramm Wildschweinfleisch mit einer Belastung von 600 Bq/kg Radiocäsium hat bei einem Erwachsenen demnach eine Dosis von ca. 0,0078 Millisievert (mSv) zur Folge (Dosis = Dosiskonversionsfaktor x Aktivitätskonzentration x Nahrungsmittelgewicht). Dieser Wert entspricht etwa 0,37 Prozent der Dosis aus natürlicher Radioaktivität, die durchschnittlich pro Person und Jahr aufgenommen wird (2,1 mSv). Anders ausgedrückt: erst bei einem Verzehr von etwa 269 Kilogramm Wildschweinfleisch pro Jahr, welches mit einem Höchstwert von 600 Bq/kg Radiocäsium belastet ist, wird eine Dosis erreicht, die der durchschnittlichen jährlichen Radioaktivitätsdosis pro Person aus natürlichen Quellen entspricht.

5. Wie ist die Rechtslage?

Wenn Wildbret außerhalb des häuslichen Bereichs an Dritte abgeben oder verkauft wird, spricht man (juristisch) von „Inverkehrbringen“. Von der EU ist für die Verkehrsfähigkeit von Lebensmitteln ein Höchstwert für die Aktivitätskonzentration von 600 Bq/kg (hier: Becquerel Radiocäsium pro Kilogramm Wildfleisch) vorgegeben worden, der nicht überschritten werden darf. Obwohl dieser Höchstwert ursprünglich unter anderen Voraussetzungen aufgestellt wurde, wird er heute allgemein verwendet und auch zunehmend von Gerichten in entsprechenden Urteilsbegründungen herangezogen.

Nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EG) 178/2002 tragen die Lebensmittelunternehmer dafür Sorge, dass Lebensmittel die Anforderungen des Lebensmittelrechtes erfüllen. Diese Sorgfaltspflicht würde verletzt, sofern Schwarzwild, welches

  1. in den nachfolgend aufgeführten Jagdgebieten (siehe Abschnitt 6: „Für welche Gebiete besteht eine Untersuchungspflicht?“) erlegt wurde und
  2. bei dem nicht durch eine vom Jagdausübungsberechtigten veranlasste Untersuchung der Nachweis der Einhaltung des zulässigen Höchstgehaltes für Radiocäsium erbracht wurde.

Ein Verstoß dagegen kann als Ordnungswidrigkeit oder Straftat geahndet werden. Wenn sich bei der Messung eine Überschreitung eine Aktivitätskonzentration von 600 Bq/kg herausstellt, besteht ein Inverkehrbringungsverbot. Das Wildbret ist kostenpflichtig zu entsorgen. Eine diesbezügliche Entschädigung kann beim Bundesverwaltungsamt beantragt werden (siehe Abschnitt 9: „Wie ist das Verfahren für eine Entschädigung für nicht freigegebenes Schwarzwild?“).

Wenn erlegtes Schwarzwild selbst verzehrt werden soll, so gilt dies nicht als Inverkehrbringen, d. h. selbst verbrauchtes Wildbret muss nicht (kann aber) auf die Einhaltung des Höchstwertes geprüft werden.

6. Für welche Gebiete besteht eine Untersuchungspflicht?

Die Gebietskulisse umfasst diejenigen Jagdgebiete, in welchen aufgrund vorheriger Untersuchungen der BfUL generell der Verdacht besteht, dass Schwarzwild mit Radiocäsium belastet ist. Demnach zählen folgende Städte und Gemeinden zu dem Gebiet, in welchem erlegtes Schwarzwild auf die Belastung mit Radiocäsium untersucht werden muss (Pflichtuntersuchungsgebiet).

Vogtlandkreis:
Adorf, Auerbach, Bad Brambach, Bad Elster, Bergen, Bösenbrunn, Eichigt, Ellefeld, Erlbach, Falkenstein, Grünbach, Klingenthal, Lengenfeld, Markneukirchen, Mühlental, Muldenhammer, Neuensalz, Neustadt/V., Oelsnitz, Rodewisch, Schöneck, Steinberg, Theuma, Tirpersdorf, Treuen, Triebel, Werda, Zwota

Landkreis Zwickau:
Crinitzberg, Hartmannsdorf, Hirschfeld, Kirchberg

Erzgebirgskreis:
Eibenstock, Johanngeorgenstadt, Schönheide, Stützengrün

Landkarte mit Gemeinde-, Und Kreisgrenzen und Kennzeichnung des Untersuchungsgebietes
Übersicht des Pflichtuntersuchungsgebietes 

7. Wie erfolgen die Probenahmen und die Dokumentation?

Für die Untersuchung von erlegtem Schwarzwild auf eine mögliche Belastung mit Radiocäsium sind Muskelfleischproben von mindestens 150 Gramm erforderlich. Hierfür ist vor allem fettfreie Muskulatur zu entnehmen. Für die Durchführung der Untersuchungen stehen den Jägern aus den betreffenden Eigenjagdbezirken und gemeinschaftlichen Jagdbezirken entsprechende qualifizierte Messstelle beim Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramt (LÜVA) des Vogtlandkreises und des Landkreises Zwickau zur Verfügung. Alternativ kann die Untersuchung des erlegten Schwarzwildes aber auch in einer anderen qualifizierten Messstelle, z. B. in Hof/Bayern, erfolgen. Die Untersuchungen des in den betreffenden Verwaltungsjagdbezirken des Freistaates Sachsen erlegten Schwarzwildes erfolgt durch die BfUL.

Die Untersuchung auf die Belastung mit Radiocäsium ist kostenpflichtig.

Die LÜVÄ bzw. die BfUL erstellen als qualifizierte Messstellen für jede Untersuchung einen Prüfbericht. Dieser ist Grundlage für die Freigabe des Wildbrets für das Inverkehrbringen bzw. für die Beantragung einer Entschädigung im Falle einer Höchstwertüberschreitung (siehe Abschnitt 9: „Wie ist das Verfahren für eine Entschädigung für nicht freigegebenes Schwarzwild?“).

8. Wie ist mit nicht freigegebenem Schwarzwild umzugehen?

Sofern es durch den Jäger nicht selbst verbraucht wird (siehe Abschnitt 5: „Wie ist die Rechtslage?“), muss Wildbret, welches den höchstzulässigen Radiocäsiumgehalt überschreitet, kostenpflichtig entsorgt werden. Für die Entsorgung kontaminierter Tierkörper ist der Zweckverband für Tierkörperbeseitigung Sachsen zuständig. Die Entsorgung ist auf dem Antrag auf Entschädigung an das Bundesverwaltungsamt nachzuweisen.

Nähere Informationen, insbesondere zu Sammlung und Transport, erteilt bei Bedarf das LÜVA des Vogtlandkreises bzw. des Landkreises Zwickau.

9. Wie ist das Verfahren für eine Entschädigung für nicht freigegebenes Schwarzwild?

Die rechtliche Grundlage einer Entschädigung für radioaktiv kontaminiertes Wildbret bildet die Ausgleichsrichtlinie zu § 38 Absatz 2 Atomgesetz. Zur Beantragung einer Entschädigung ist der Prüfbericht (siehe Abschnitt 7: „Wie erfolgt die Probennahme und die Dokumentation?“) der qualifizierten Messstelle, in welchem eine Belastung über dem Höchstwert von 600 Bq/kg Radiocäsium dokumentiert wird, notwendig.

Der Antrag ist formulargebunden. Das Formular kann über den nachfolgenden Link beim Bundesverwaltungsamt abgerufen werden. Das ausgefüllte Formular ist beim LÜVA des Vogtlandkreises bzw. des Landkreises Zwickau und für beanstandetes Wildbret aus den Verwaltungsjagdbezirken bei der BfUL zur Bestätigung der Richtigkeit der Angaben einzureichen. Diese Einrichtungen leiten dann Ihren Antrag an das Bundesverwaltungsamt weiter.

10. Welche Schlussfolgerungen werden aus den Ergebnissen des zurückliegenden Untersuchungszeitraumes im Pflichtuntersuchungsgebiet gezogen?

Im Pflichtuntersuchungsgebiet (siehe Abschnitt 6: „Für welche Gebiete besteht eine Untersuchungspflicht?“) wurden im Jagdjahr 2022/2023 840 Schwarzwildproben untersucht. In 79 Proben war der zugelassene Höchstwert überschritten (2021/2022: 130 Überschreitungen von 1.003 Proben, 2020/2021: 227 Überschreitungen von 1.570 Proben, 2019/2020: 241 Überschreitungen von 1.934 Proben, 2018/2019: 167 Überschreitungen von 1.424 Proben, 2017/2018: 460 Überschreitungen von 2.075 Proben, 2016/2017: 318 Überschreitungen von 1.461 Proben, 2015/2016: 303 Überschreitungen von 1.369 Proben, 2014/2015: 310 Überschreitungen von 1.196 Proben, 2013/2014: 205 Überschreitungen von 784 Proben, 2012/2013: 257 Überschreitungen von 718 Proben). Die Ergebnisse bestätigen die Notwendigkeit des Pflichtuntersuchungsgebietes. Die Untersuchungen werden auch weiterhin fortgeführt.

zurück zum Seitenanfang